C——H. Jandls Zunge
Tanztheater
WahlVerwandtschaften No. 3

Pressestimmen
»spektakuläre Choreographie, berückend schöne Bilder« Schwäbische Zeitung
»dem Dichter so nahe gekommen wie selten« Stuttgarter Zeitung

Aus der Begründung der Jury zur Verleihung des Sonderpreises für eine herausragende choreographische Leistung beim Stuttgarter Theaterpreis 2010:
»In diesem Jahr hat sich die Jury entschieden, statt des Preises für eine herausragende choreografische Leistung eine Auszeichnung für Regie zu vergeben, da sich die Vielzahl der Produktionen nicht nur dem reinen Tanz verschrieben haben. In Jandls Zunge gelingt es Katja Erdmann-Rajski, die späten Gedichte des österreichischen Lyrikers Ernst Jandl mit den Mitteln des Tanzes neu zu interpretieren. Dazu bedient sie sich so verschiedener wie einfacher Elemente. Es genügen zwei Darsteller, zwei Tische, zwei Stühle und ein Papierhaufen, um eine Geschichte zu erzählen. Die Geschichte eines alternden Dichters, der nachdenklich am Schreibtisch sein Leben Revue passieren lässt und sich seiner Vergänglichkeit bewusst wird. Das gesprochene Wort und die Choreografie gehen dabei scheinbar mühelos ineinander über. Die im Sprechen des großartigen Schauspielers Bernd Lindner beschworene Hinfälligkeit des Körpers wird durch die leichtfüßige Beweglichkeit des Tänzers Boris Nahalka konterkariert. Tanz und Sprache verschmelzen zu einem theatralischen Ereignis. Dazu zählt wesentlich der sehr bewusste Einsatz von Musik, die eine dichte Atmosphäre erzeugt. Die immer mehr aufkommende Todesnähe wird regelmäßig durch den Witz im Bewegungsvokabular gebrochen. Selbst die Schwere der Arien aus Bachs Matthäus-Passion bleibt so nicht als das letzte Wort im Raum stehen. Gerade im Wechsel zwischen Ernst und Leichtigkeit entsteht durch das ganze Stück hindurch ein belebender Spannungsbogen. Katja Erdmann-Rajski setzt mit Jandls Zunge dem Dichter ein ganz besonderes Denkmal: Im Medium Tanz öffnet sie seiner Lyrik eine neue Wahrnehmung.«
Stückbeschreibung
sprecken du deuts? kennen du ernsten jandeln? In Katja Erdmann-Rajskis neuem Tanztheater lernt man ihn kennen. Ernst Jandl, den österreichischen Dichter, der wie kein anderer die deutsche Sprache anarchisch zerpflückt, sie ins lachhaft Absurde überführt und ihre jazzigen Rhythmen aufgedeckt hat. Jandl verstand Sprache als körperliche Lust. Zärtlich-erotisch züngelt er mit den Lauten oder zermalmt grantelnd die Worte in seinem Mund. Und macht so ihre bizarre Schönheit erst hörbar. Zwischen nasaler und oraler Lust, Anallyrik und -neurotik. Mit religiös-ketzerischer In brunst und abgrundtiefem Humor. Auf der Suche nach dem Ich(-Laut) und nach seinem Körper, der alternd verfällt.Neben Ausschnitten aus der Matthäuspassion Bachs tritt die eigens für das Stück komponierte Musik des Grandseigneurs der elektronischen Lautmalerei. Ulrich Süße, ehemaliger Kompositionsprofessor der Stuttgarter Musik hochschule, fragt sich musikalisch »jandelnd«: ?lechts und rinks odel hart geladeaus? Ausgehend von der musikalischen Sprache Süßes und Jandls machen auf der Bühne Sprecher und Tänzer das Ringen Jandls um Worte hör- und sichtbar. Sie zeigen die Gebrechlichkeit des Alterns, Jandls Seelenpein zwischen Euphorie und Depression, seine Sprach- und Harninkontinenz. Rettungslos verloren zwischen kopulierendem Papier, suchen die Darsteller mit Jandl Rettung in der (Körper)Sprache, suchen im Absurden das Heil, den gottlosen Heiland, dass er sich ihrer erbarme. »die gedichte dieses mannes sind unbrauchbar«, schreibt Jandl. Man könne mit ihnen weder Haarausfall noch Akne behandeln. Natürlich, aber sie sind »bitterschön«.
Vorstellungen
14. April 2010, 20.30 Uhr (Premiere)
15.-17. April 2010, 20.30 Uhr
12.-13. Mai 2010, 20.15 Uhr
14. Mai 2010, 20.30 Uhr
15. Mai 2010, 20.15 Uhr
Theaterhaus Stuttgart
Gefördert vom
Kulturamt der Landeshauptstadt Stuttgart im Rahmen der 3-Jahres-Konzeptionsförderung
Fonds Darstellende Künste e.V.
immedia23, Stuttgart
Leibfarth + Schwarz, Dettingen
Mit freundlicher Unterstützung von
Produktionszentrum Tanz und Performance e.V.
Theaterhaus Stuttgart, lift Stuttgart
Mitwirkende
Konzeption, Choreografie, Regie: Katja Erdmann-Rajski
Tanz Boris Nahalka, Katja Erdmann-Rajski
Darsteller Bernd Lindner
Musik Johann Sebastian Bach, Ulrich Süße
Licht Ingo Jooß
Video/Technik Thomas Pfisterer
Dramaturgie Ulrich Fleischmann
Texte Ernst Jandl Gedichte, Vorlesungen, Aufsätze, Telefongespräche
Musik
Johann Sebastian Bach Matthäus-Passion, BWV 244, Arien „Erbarme dich“, „Gebt mir meinen Jesum wieder“ und „Können Tränen meiner Wangen“, Chor „Wir setzen uns in Tränen nieder“
Ulrich Süße „?lechts und rinks odel hart geladeaus?“

Programmheft zum Download: PDF



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